Brutalistisches Statement
Revitalisierung einer gebauten Ikone im Europaviertel
-
Bauherr
Quest Investment Partners
-
Auftraggeber
Adolf Lupp GmbH + Co KG
-
Ort
Frankfurt am Main
-
Leistung
LPH 5
-
Status
in Planung
-
Zeitraum
seit 2024
-
Visualisierungen
beyond visual arts GmbH
-
Film
ROOM Communication GmbH
-
Architektur (Bestand)
Stephan Böhm
-
Bauherrenvertretung
Quest Development GmbH
-
Projektsteuerung
TA Europe – techical advisors
-
Generalunternehmen
Adolf Lupp GmbH + Co KG
-
Architektur (bis LPH5)
Kunst + Herbert GmbH
-
Brandschutz
KREBS+KIEFER Ingenieure GmbH
-
Tragwerksplanung
INGENIEURBÜRO DR. BINNEWIES Ingenieurgesellschaft mbH
-
Vermessung
Steuernagel Ingenieure GmbH
-
Bauphysik
OSD GmbH
-
Zertifizierung
agradblue gmbh
-
Freianlagenplanung
GTL Michael Triebswetter
-
Lichtplanung
Kardorff Ingenieure Lichtplanung GmbH
-
SiGeKO
Karlheinz Martin GmbH
Transformation einer Ikone
Der rund 68.500 Quadratmeter große Gebäudekomplex im Frankfurter Europaviertel besteht aus einem zentralen, 65 Meter hohen Turm, der markant aus sechs symmetrisch angeordneten Flügelbauten hervorragt. Die fünfgeschossigen Flügel sind über Pavillons miteinander verbunden und bilden ein weitläufiges Ensemble mit charakteristischer Präsenz im Stadtraum.
Aktuell wird der Komplex umfassend modernisiert, um ihn als flexibles Multi-Tenant-Bürogebäude für zukunftsorientierte Arbeitsformen neu zu positionieren. Schmidt Plöcker begleitet das Projekt seit 2024 im Rahmen der Leistungsphase 5.
Im Zentrum der Anlage entsteht eine offene, lebendige Halle, die künftig das Herzstück des Ensembles bildet. Begrünte Außen- und Dachflächen schaffen Aufenthaltsorte mit hoher Qualität und verbinden Innen- und Außenräume zu einem durchlässigen Ganzen.
Die Stärke des Sichtbaren
Die Architektur ist geprägt von Beton, Stahl und Glas – Materialien, die ihre Herkunft aus der brutalistischen Ära nicht verleugnen und in der Neuinterpretation an Ausdruckskraft gewinnen. Besonders eindrucksvoll zeigen sich diese Qualitäten an den transparenten Panoramaaufzügen, die sowohl von außen als auch von innen erlebbar sind.
Bis Mitte 2026 entsteht so ein vielseitiger Arbeits- und Begegnungsort, der Büroflächen mit gastronomischen, sportlichen und kulturellen Angeboten verbindet. Ziel ist ein anpassungsfähiger Ort voller Möglichkeiten – von Open Space bis Zusammenschluss, vereint unter dem Dach einer brutalistischen Ikone.
Architektur mit Geschichte
Der Gebäudekomplex in der Stephensonstraße 1 wurde 1993 nach dem Entwurf von Stephan Böhm durch die Philipp Holzmann AG errichtet und diente der Deutschen Bahn bis 2021 als Hauptsitz. Rund 3.000 Mitarbeitende waren dort tätig – zuletzt vor allem im Vorstandsbereich Personenverkehr sowie bei den Tochtergesellschaften DB Fernverkehr, DB Regio und DB Vertrieb. Aus dieser Zeit stammt auch der bis heute geläufige Spitzname „DB-Pyramide“.
Inzwischen wurde das RAW vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen aus geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen als Kulturdenkmal eingestuft. Mit seiner markanten Gestalt ist es ein Blickfang an der Schnittstelle zwischen Gallus und Europaviertel. Die Stephensonstraße 1 liegt südlich des ehemaligen Güterbahnhofs, angrenzend an eine Nachkriegssiedlung südlich der Idsteiner Straße. Im Zuge der Entwicklung des Europaviertelsentstanden westlich und nördlich des zuvor freistehenden Solitärgebäudes neue Verwaltungs- und Wohnbauten.
Film: © ROOM Communication GmbH
Béton brut: Roher Beton als Statement
Gerade blockartige, einfache Strukturen aus rohem Sichtbeton sind typische Charakteristika des Brutalismus. In den 1950er-Jahren entstand er als Reaktion auf den Internationalen Stil, betonte dabei Funktionalität, Materialehrlichkeit und strukturelle Offenheit. Namhafte Vertreter wie Le Corbusier sowie Alison und Peter Smithson prägten den Stil des béton brut („roher Beton“).
Meist wirken brutalistische Gebäude eher abweisend, schwer und monumental. Geprägt sind sie von geometrischen Formen, unverputzten Betonflächen und sichtbaren Bauweisen – ein bewusster Verzicht auf dekorative Elemente oder Verspieltheit. Die sichtbaren Schalspuren und Materialunebenheiten werden zum gestalterischen Merkmal und stehen für radikale Ehrlichkeit.
Nach dem Zweiten Weltkrieg diente der Stil als kostengünstige Lösung für den dringend benötigten Wohnraum, wurde in den folgenden Jahrzehnten jedoch stark kritisiert und als „Betonbunker“ diffamiert.
Klar ist allerdings: Brutalismus provoziert – und erlebt in den letzten Jahren eine echte Renaissance. Seine rohe, ungeschönte Ästhetik inspiriert zeitgenössische Architekt:innen und Designer:innen, etwa durch den Einsatz von Beton, Glas und Stahl, einfachen Linien und ehrlicher Materialwirkung. Auch in den sozialen Medien zählt der Brutalismus eine breite Fangemeinde.
Brutalismus hinterfragt konventionelle Schönheitsideale und stellt den Menschen, seine Bedürfnisse und die Nutzbarkeit in den Vordergrund. Heute wird er nicht nur ästhetisch, sondern auch aus Denkmal- und Klimaschutzperspektive neu bewertet. Zahlreiche Bauten werden erhalten und umgenutzt – ein Statement für die andauernde Relevanz dieses kompromisslosen Stils.








